Aus dem Studio in die Menge: Was als Experimentier-Sound im Studio beginnt, servieren BBF ihrem Publik auf den Konzerten als perfektionierte, treibende Klangkost ©Nico Stinghe/ Park Bennet
Aus dem Studio in die Menge: Was als Experimentier-Sound im Studio beginnt, servieren BBF ihrem Publik auf den Konzerten als perfektionierte, treibende Klangkost ©Nico Sting

Licht flutet den Raum in Berlin-Kreuzberg. Dem nussbraunen Klavier an der Wand sieht man sein Alter an. Die Tastenklappe ist geöffnet. Neben sich wild stapelnden Notenblättern auf dem dunklen Holz,  einem überfüllten Anspitzer, einigen roten Bleistiften und Radiergummi, lächelnde Gesichter von alten Fotos. Nostalgisch. Tonlos.

An der Wand gegenüber hängen Kopfhörer über der alten Stuhllehne. Schwarze, graue Kabel suchen sich auf dem hellen Dielen-Parkett vom Fender-Rhodes Keyboard, Marshall-Verstärker, Mac-PC und Laptop ihren Weg bis zur Steckdose. Modern. Tonlos. Es ist ein Mix irgendwo aus klassischer Unvergänglichkeit gepaart mit digitalem, jungem, brodelndem Aufbegehren. Genau der Mix, den der junge Musikvirtuose Paul Frick in seiner Zweiraumwohnung im Hinterhof von „Yorck Reckords“ in Berlin-Kreuzberg jeden Tag mit seiner Musik zusammenführt. Klangintensiv.

Im Klartext heißt das, Techno nach Noten. Als Mitglied der Gruppe Brandt Brauer Frick kreiert der 1979 in Berlin geborene Absolvent der Universität der Künste Elektro-Kompositionen in Perfektion. Klassische Musik, auch Jazz, wird mit repetitiven, drängenden Techno- und Minimal-Elementen untermalt und als einzigartiger, musikalischer Feingenuss freigesetzt. Obwohl der Nostalgie angehaucht wirkende Pullover-Träger mit zerzausten Haaren, Schnauzbart und Brille erst relativ spät zur elektronischen Musik fand, ging es schnell auch nicht mehr ohne sie: „Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich diese Einfachheit von dem Grundbild von Techno akzeptieren konnte, weil ich früher immer komplexe Musik wollte, aber irgendwann war ich angesteckt und dann hat es auch nicht mehr aufgehört,“ erklärt Paul Frick seine spät entdeckte Sympathie für das Genre.

Beim Schaffensprozess setzt das akustische Elektro-Trio ganz besonders auf das Experimentieren. Geräusche aus der Umgebung aufnehmen und austesten, statt schnellem, stumpfen Produzieren. Es geht darum, Formstrengen zu überspannen und mit der entstandenen Soundästhetik eine höhere intellektuelle Ebene zu erreichen, die auch der Zuhörer wahrnimmt. Die besten Ideen kommen beiläufig. Weiche Klänge werden ausgereizt, harte Töne zum Erweichen gebracht. Ohne kühle Beats, ohne synthetische Bässe. „Gerade weil es in der elektronischen Musik vom Klangbild her wenige Unterschiede gibt, weil alles so klinisch produziert wird, finde ich es immer gut, wenn man einen Sound produziert, der auch „rough“ und ein bisschen dreckig klingt. Wenn der Sound schon mal irgendwo in der Realität unterwegs war und nicht nur die ganze Zeit im Computer“, erklärt Jan die Brandt-, Brauer-, Fricksche Klang-Philosohpie.

Experimentierfreudige Klangkünstler: Auch das Traktieren von Klavieren gehört dazu ©Nico Stinghe/ Park Bennet
Experimentierfreudige Klangkünstler: Auch das Traktieren von Klavieren gehört dazu ©Nico Stinghe/ Park Bennet

Ob Bauchnabel-Klopfen, Radiergummis zwischen Klaviersaiten,  oder erzeugte Basedrums durch das Zupfen am Hemd, die Liste der Sound-Spielereien im Studio an der Sonnenallee  ist lang. „Rumjammen“ nennen die drei Wahlberliner, die alle um die dreißig sind, das. Und auf so einer spontanen, improvisierten Jamsession 2008 in Wiesbaden haben Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick auch als Trio zusammengefunden. Für die Konzerte werden die stundenlang eingespielten, akustischen Sounds wieder auseinandergenommen, ausgedünnt und digital verfeinert, solange bis sie da sind, wo die drei Jungs sie haben wollen.

Auf einer spontanen Jamsession fanden sie als Trio zusammen: Ihr erstes Album entstand in der Garage von Brandts Elternhaus ©Harry Weber
Auf einer spontanen Jamsession fanden sie als Trio zusammen: Ihr erstes Album entstand in der Garage von Brandts Elternhaus ©Harry Weber

Dort, wo sie sich dann in soundästhetischer Perfektion ihren Weg von der Bühne ins Publikum bahnen, um Sinne und Geist zu ummanteln. Oder eben dort, wo sie sich auf ihrem mittlerweile dritten Album unter dem Namen „Miami“ zusammenfinden, das auf dem Berliner Elektrolabel !K7 Records am 11. März erschienen ist. Alle, die das sphärische Hörtreiben live erleben möchten, können dies am 22. März im Salon IKSV in Istanbul tun oder open-air auf dem Heidelberger Frühling Festival (19.04.). Nostalgisch. Modern. Klangintensiv.

Weitere Informationen:

Doppelschall Records 

Brandt Brauer Frick – Wallah 

Brandt Brauer Frick –  Bop   

Autorin: Mareen Biederbick